Pressemitteilungen und Artikel

Offener Brief zur Sicherheitsdebatte

Am Dienstag, den 9. Juli 2024 wird im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Marburg über einen Antrag der CDU/FDP/BFM Fraktion debattiert, in der sog. „Waffenverbotszonen“ in Marburg gefordert werden.

Diese völlig überzogene Forderung ist ein Symbol dafür, wie die in Marburg geführte Sicherheitsdebatte seit Jahren von der Polizei, manchen Kriminolog*innen und bürgerlichen Parteien eskaliert wird. Das Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit ist selbstverständlich, wird jedoch durch die handelnden, politischen Akteure und ihre verkürzten Aussagen sowie populistischen Forderungen missbraucht. Es entsteht der Eindruck, dass Marburg überdurchschnittlich unsicher sei. Das Gegenteil ist der Fall: Marburg ist eine lebenswerte und sichere Stadt – und diese Ansicht wird von der überwältigenden Mehrheit der Menschen die hier leben geteilt.
Als Bündnis wollen wir uns klar gegen eine Waffenverbotszonen in Marburg aussprechen. Nicht nur, weil Studien belegen, dass mehr Polizeipräsenz nicht automatisch dazu führt, dass Bewohner*innen sich sicherer fühlen. Sondern auch, weil die beispielsweise Erfahrungen in Leipzig deutlich gemacht haben, dass der tatsächliche Nutzen einer Waffenverbotszone überschätzt wird. Waffenverbotszonen sind in der Bevölkerung nicht nur zutiefst unbeliebt gewesen (siehe Evaluation in Leipzig), meist kommt auf einige Dutzend bis Hundert Sicherstellungen von Waffen lediglich eine vier- bis fünfstellige Zahl an Kontrollen unschuldiger Bürger*innen. Die Erfolgsquoten von Waffenverbotszonen bezogen auf die Zahl der Sicherstellungen liegt im unteren, einstelligen Prozentbereich, der Aufwand ist jedoch enorm.

Statt Verbotsschilder wünschen sich die Menschen hingegen mehr Präventionsmaßnahmen wie Jugend- und Sozialarbeit sowie die Bekämpfung der Armut. Eine sachliche Debatte über das Thema Sicherheit muss vor allem über die Ursachen der Unsicherheit sprechen und gesellschaftliche Kontexte thematisieren: Jugendliche befinden sich seit Jahren, insbesondere zur Zeit der Corona Pandemie – in einer erdrückenden Lage. Nicht ohne Grund wird bundesweit wiederholt über den psychologischen und sozialen Ausnahmezustand vieler junger Menschen debattiert. Zudem fehlt es ihnen in Marburg an adäquaten Räumen der Freizeitgestaltung. Die wirtschaftliche Gesamtsituation hat sich aufgrund steigender Preise für unter anderem Wohnraum, Lebensmittel und Mobilität für viele Menschen massiv verschlechtert. Menschen die keine Kaufkraft mitbringen fehlt es an Treffpunkten, an denen sie akzeptiert sind, darunter gehören auch Wohnungslose.

Dass für die letzten frequentierten Treffpunkten ohne Konsumzwang, konkret die Lahntreppen und die Umgebung um den Bahnhof, Waffenverbotszonen debattiert werden, ist angesichts der drohenden Auswirkungen schockierend und frustrierend: In mehreren Presseberichten wurden Seitens der Betroffenen und ihrer Unterstützer*innen drohende Verdrängungseffekte durch selektive Kontrollen angemahnt. Befürchtet werden Racial Profiling oder überbordende polizeiliche Kontrollen aufgrund von (unbewussten) Vorurteilen über Wohnungslose, Menschen mit Migrationshintergrund, Drogenabhängige oder Personen, die anderweitig aufgrund ihrer Kleidung auffallen. Leider wurden entsprechende Befürchtungen von der Presse, Parteien wie der CDU und der Polizei nicht ausreichend ernst genommen. Einem ganzheitlichen Sicherheitsansatz, in dem auch vulnerable Gruppen berücksichtigt werden, entspricht dies nicht.

Auch andere repressive Maßnahmen wie die bürgerrechtlich bedenkliche Ausweitung der Videoüberwachung an belebten Stellen sowie die verstärkte willkürliche Kontrolle durch mehr Polizeibeamte verhindern die Armut und den sozialen Verfall der Gesellschaft nicht. Vor diesem Hintergrund ist auch das vorliegende Sicherheitskonzept der Stadt Marburg zu kritisieren. Sinnvoll wäre es für die Erstellung eines solchen Sicherheitskonzeptes die Bewohner*innen Marburgs, insbesondere vulnerable Gruppen, miteinzubeziehen. Das dies funktionieren kann zeigt das Verkehrskonzept MoVe 35.

Wir müssen raus aus dem Teufelskreis aus Unsicherheit und Aufrüstung!
Wir müssen die Probleme an der Wurzel anpacken und für mehr sozialen Ausgleich, Unterstützungsmaßnahmen sowie klimaneutralen und bezahlbaren Wohnraum sorgen.
Wir fordern präventive Ansätze des Sicherheitskonzepts wie Jugend- und Sozialarbeit, das Beleuchtungskonzept sowie das Heimweg-Telefon und die deeskalativ-wirkende Ansprache von jungen Menschen durch Gleichaltrige („Freundliche Uffbasser“) zu priorisieren!

Erstunterzeichner*innen:

  • Afrikanischer Studentennverein Marburg
  • AStA der Philipps-Universität Marburg
  • DIDF-Jugend Marburg
  • Die LINKE Marburg
  • DKP Marburg
  • FAU Marburg-Gießen-Wetzlar
  • Fraktion MarburgerLinke & Piraten
  • Freundschaftsverein Marburg-Kurdistan
  • GemüseKombüse – Küche für alle
  • GRÜNE JUGEND Marburg-Biedenkopf
  • Initiative 200 nach Marburg
  • Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V. – Ortsgruppe Marburg
  • Internationaler Jugendverein Marburg
  • Interventionistische Linke – Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t.
  • JUSOS Marburg
  • Marburger Bündnis gegen Mietenwahnsinn
  • Medinetz Marburg e.V.
  • Offenes Haus Marburg e.V.
  • Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Marburg-Gießen
  • Seebrücke Marburg
  • Wagenplatz GleisX

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Von der Perspektivlosigkeit zur Willkür

Eine Kritik der Sicherheitsdebatte in der Oberhessischen Presse unter Björn Wisker

Mit der folgenden Pressemitteilung möchten wir uns erneut der Diskussion um die Einführung von Waffenverbotszonen in Marburg widmen. Dabei möchten wir zu den jüngsten Artikeln und Kommentaren in der Oberhessischen Presse Stellung nehmen. Darüber hinaus wollen wir unsere Forderungen stark machen, öffentliche Gelder in soziale Infrastruktur zu investieren sowie verschiedene Akteur*innen in die Sicherheitsdebatte mit einzubeziehen.

So bezeichnet der Redakteur Björn Wisker in einem Kommentar die Forderungen verschiedener Initiativen und Organisationen nach alternativen Sicherheitskonzepten – jenseits von polizeilicher Repression – als „teils absurde und naive Alternativen“ sowie „eher weltfremd“. Waffenverbotszonen seien kein Allheilsmittel, aber haben einen Nutzen, so die Argumentation. Dieser Nutzen soll die unmittelbare Herstellung von Sicherheit der Bürger*innen sein1.
Dabei ist die Wirkung von Waffenverbotszonen umstritten. In Halle beispielsweise wurde die Waffenverbotszone vom Oberverwaltungsgericht für unwirksam erklärt und damit gekippt. Vorausgegangen war eine Klage einer Initiative, die willkürliche Kontrollen und Racial Profiling kritisierte2. Auch in Leipzig kam eine wissenschaftliche Evaluation zu dem Ergebnis, dass die Waffenverbotszone weder die Kriminalitätsentwicklung beeinflusst noch zu einem verbesserten Sicherheitsgefühl geführt hat3. Zudem haben wir bereits in unserem letzten Statement deutlich gemacht, dass es sich nicht um eine langfristige Lösung handelt4, was Wisker am Ende selbst einräumt.

Die Grundargumentation des Kommentars sowie der vorangegangenen Artikel von Wisker ist, dass Marburg aufgrund der Anzahl der „Messerangriffen“ unsicher sei. Dadurch argumentiert der Redakteur ganz im Sinne der mittelhessischen Polizeipräsidiums, welche die Einrichtung von Waffenverbotszonen fordert (s. 1. Fußnote).

Die Datenlage stellen für den Redakteur „exklusiv vorliegende Zahlen“5 dar, ansonsten wird von gezeigten Videos wird berichtet (s. 1. Fußnote). In der hessischen Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 werden die Straftaten nicht dem Ort zugeordnet. Das Wort „Messer“ taucht genau einmal im Zusammenhang mit einer Straftat in Offenbach auf. Ansonsten wird von Waffenkriminalität gesprochen6. Angesichts dieser Datenlage erscheint die Wortwahl von Wisker eher populistisch.
Weiterhin spricht Wisker von einem Unsicherheitsgefühl, das in der Bevölkerung bestehe und das durch Polizeipräsenz gelöst werden solle (s. 1. Fußnote). Ob gerade eine solche Berichterstattung ein solches Unsicherheitsgefühl erzeugt, sei dahingestellt. Wir wollen aber keinesfalls die Realität von Angsträumen in Frage stellen7. Gerade deshalb fragen wir uns – wie schon in unserer ersten Stellungnahme -, warum Björn Wisker in keinem seiner Artikel auf die Kasseler Studie eingeht8, die empirisch belegt, wie erhöhte Polizeipräsenz Unsicherheitsgefühle verstärken und zu einem Teufelskreis aus Unsicherheit und Aufrüstung führen kann.

Wie bereits oben erwähnt, vermissen wir eine transparente Begründung hinsichtlich der Anzahl der sogenannten Messerattacken für die Umsetzung der Waffenverbotszone in Marburg. Obwohl der Verfasser selbst einräumt, dass es wichtig sei, das Problem an der Wurzel zu packen, gehen seine Forderungen in die entgegengesetzte Richtung. Er plädiert für eine „härtere Hand“ (Q1), also mehr Polizeipräsenz, anstatt eine Verbesserung der sozialen Infrastruktur der Stadt zu fordern, etwa durch die Schaffung nicht-kommerzieller Treffpunkte für Jugendliche oder den Ausbau sozialpädagogischer Angebote. Hier stimmen wir in der Tat mit Björn Wisker überein, dass die Lösung „keine Polizeiaufgabe“ (s. 1. Fußnote) ist.

Lorenz Schoenike aus dem Bündnis Marburg gegen Mietenwahnsinn sagt dazu: „Unserer Meinung nach sollte die Lösung dieses Problems nicht von der Polizei ausgehen, sondern das Ergebnis eines Dialogs zwischen verschiedenen Institutionen wie dem Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa), der Antidiskriminierungsstelle der Stadt, dem Ausländerbeirat, dem Queeren Zentrum oder dem Frauennotruf u.v.m. sein. In der Berichterstattung von Wisker scheint jedoch außer dem KiJuPa9 keine andere Institution außer der Polizei und bestimmten Wissenschaftler*innen in die Debatte einbezogen zu werden – bis sich verschiedene Organisationen mit Statements zu Wort meldeten.“

Letztlich sind wir mit dem Bild der Marburger Polizei, das Wisker in seinen Artikeln zeichnet, nicht einverstanden. Die Meinung, dass die Polizist*innen in Marburg „nahbaren, zugewandten, kommunikativen“ seien, ist unserer Meinung nach einseitig und dementsprechend problematisch. Leider hängt die gute/schlechte Erfahrung mit Polizist*innen davon ab, was für einen sozialen Status die Menschen haben. Die Art und Weise der Kommunikation mit z.B. einem weißen Journalisten oder einer migrantisierte Studentin ist sehr unterschiedlich.
Auch das Argument, dass „wir nicht in der USA [sind], wo es in der Tat in der Polizei institutionalisierten Rassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung gibt“10, überzeugt nicht. Zu einem anderen Ergebnis kommt die vom Innenministerium in Auftrag gegebene Studie über die Polizei, aus der hervorgeht, dass „auch das eigentlich illegale „Racial Profiling“ (…) offenbar kein Randphänomen [sei]“11.
An dieser Stelle sollte auch hinzugefügt werden, dass die als Racial Profiling bekannte Praxis nicht durch bewusstes rassistisches Denken, sondern durch das Unterbewusstsein funktioniert. Die Vorstellung, dass ein Teil der Bevölkerung eher zu Straftaten neigt, ist Teil des strukturellen Rassismus und führt zur Kriminalisierung von Menschen, die ähnliche körperliche Merkmale aufweisen.

Sei es die schlechte Polizeiarbeit in Fällen wie dem NSU oder dem rassistisch motivierten Morden in Hanau, die mit Nazipropaganda gefüllten Chatgruppen der Frankfurter Polizei12 oder die Fälle, die in Projekten gegen Polizeirassismus wie Death in Custody13 oder Copwatch FFM14 gesammelt werden – all diese Fälle zeigen uns die Probleme mit Rassismus in der Polizei in Hessen und Deutschland. Und obwohl wir die Rechtfertigung kennen, dass es sich um Einzelfälle handelt, sind es einfach zu viele, um sie einzeln zu behandeln und nicht ein strukturelles Problem dahinter zu erkennen.

Waffenverbotszonen werden, wie viele Organisationen bereits gewarnt haben, zu einer Zunahme von Racial Profiling sowie zur Verdrängung von Bevölkerungsgruppen führen, die nicht dem bürgerlichen Ideal entsprechen, wie Wohnungslose, Drogenkonsument*innen oder verhaltensauffälligen Jugendlichen. Damit werden die Probleme aber nicht gelöst, sondern nur verlagert. Gerade die betroffenen Bevölkerungsgruppen haben andere Erfahrungen mit der Polizei gemacht, als sie in den Artikeln von Björn Wisker dargestellt werden. Gerade die fehlende Einbeziehung anderer Perspektiven ist zu kritisieren, wenn es darum geht, sich für eine Waffenverbotszone einzusetzen.

Die Entscheidung über den Antrag zu Waffenverbotszonen steht noch aus. Sie wurde in den letzten beiden Ausschusssitzungen vertagt und soll nun voraussichtlich im Haupt- und Finanzausschuss Mitte Juli erfolgen. Auch wenn die Waffenverbotszonen nicht durchkommen, wird die Sicherheitsdebatte weitergehen.

Marburg den 21.06.2024

1 https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/marburg-kommentar-zum-misstrauen-gegen-waffenverbotszonen-und-polizisten-PTIIYSEKWNGKBNVO56LNW2FU2M.html

2 https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/waffenverbotszone-oberverwaltungsgericht-racial-profiling-polizei-100.html

3 https://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/sicherheit-und-ordnung/kommunaler-praeventionsrat-leipzig/aktionsprogramm-waffenverbotszone/

4 http://mietenwahnsinn-marburg.de/category/aktuelles/

5https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/sicherheit-so-oft-werden-messer-in-marburg-als-waffe-eingesetzt-ROK6YLYWBZB7NIS4BMQ4R3ZTPU.html

6 https://www.polizei.hessen.de/File/pressepapier-pks-jahresstatistik-2023-final-red.pdf

7 https://philippmag.de/die-schattenseiten-der-stadt-marburgs-angstraeume

8 https://www.researchgate.net/publication/379876950_Sicherheit_Sicherheitsgefuhl_in_Kassel_-_eine_randomisierte_Kontrollstudie

9 https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/marburger-jugend-vertreter-fordern-mehr-fuer-sicherheitsgefuehl-tun-SAZSNIR65ZHZBIXKCHVSKPZNRM.html

10 https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/marburg-debatte-um-messer-gewalt-und-racial-profiling-der-polizei-O35IX2RF2BAL5A7U42IQFXG3DU.html

11 https://www.rnd.de/panorama/wie-rassistisch-ist-die-deutsche-polizei-studie-liefert-erste-ergebnisse-ZQRPDVNHGRFM7D7WUVUAU67TZU.html

12 https://fragdenstaat.de/blog/2023/09/29/wir-veroffentlichen-den-rechtsextremen-frankfurter-polizei-chat/

13 https://doku.deathincustody.info/recherche/

14 https://www.copwatchffm.org/


Soziale Sicherheit statt Polizei

Ein Statement zur aktuellen Debatte um Waffenverbotszonen in Marburg.

Am nächsten Dienstag, den 14.05 wird im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Marburg über einen Antrag zu der sogenannten „Waffenverbotszonen“ abgestimmt. Wir wollen mit dieser Pressemitteilung auf die aktuell geführte Sicherheitsdebatte eingehen, die derzeit von der Polizei, manchen Krimonolog*innen und Parteien wie der CDU, FDP, BFM und natürlich der rechtsradikalen AFD gefordert werden.

So wird in der Oberhessischen Presse (OP) etwa von „Messer-Gewalt“ (1) gesprochen, die von junge Männern ausgehen solle und auf Instagram bei Kanälen wie „Blaulicht-Marburg“ durch die Beschreibung des Aussehens ein fremdenfeindlicher Diskurs bestärkt. Dabei kritisieren wir zum Einen das Ausblenden von Betroffenen Perspektiven und zum Anderen die fehlende Objektivität der Berichterstattung der Lokalpresse.

So lässt die OP in ihren Artikeln recht einseitig den Polizeipräsidenten 

Torsten Krückemeier sowie die Gießener Krimonologin Britta Bannenberg zu Wort kommen, die für eine solche Waffenverbotszone argumentieren. Gleichzeitig wurden die Ergebnisse der jüngsten Studie des Gießener Krimonologen Tim Pfeiffer, der derzeit bei Bannenberg promoviert, völlig ausgelassen.(2)

Das Ergebnis der Studie zeigte laut Projektleiter Pfeiffer „einen Teufelskreis oder ein Präsenz-Paradoxon“ (3). Mehr Polizeipräsenz führt dazu, dass Bewohner*innen das Gefühl haben, weniger sicher zu sein und als Lösung daraufhin wieder mehr Polizei zu fordern. Das lässt sich nicht so einseitig erklären, sondern dieses Sicherheitsgefühl kann mehrere Gründe haben. Zum Einen könnte mehr Polizeipräsenz das Gefühl geben, dass gerade etwas gefährliches passiert und deshalb die Intervention der Polizei notwendig ist. Zum Anderen müsste die Gesellschaft sich kritisch hinterfragen, für wen die Polizei in Deutschland als Institution tatsächlich ein Sicherheitsgefühl vermittelt und für wen nicht. Besonders marginalisierte Bevölkerungsgruppen werden immer wieder ohne Grund durch polizeiliche Arbeit kriminalisiert und fühlen sich daher bei polizeilicher Präsenz unsicher (4).

Was darüber hinaus ausbleibt ist die mit der Waffenverbotszone einhergehende Berichtigung für die Polizei „verdachtsunabhängige Kontrollen“ durchzuführen (5). Dies wird zu mehr Kontrollen von kriminalisierten Personengruppen führen, mehr feststellen und so die Vorurteile bestärken (6).

Lorenz Schoenike aus dem Bündnis Marburg gegen Mietenwahnsinn sagt dazu: „Wir sehen in der Debatte eine Verschiebung der Problematik weg von den Ursachen. Dabei wird zunehmend der gesellschaftliche Kontext ausgelassen, aus dem heraus die Straftaten begangen werden und Menschengruppen kriminalisiert, indem als Reaktion einzig allein Repressionen gefordert werden.“

So bleibt in der Debatte aus, dass die Bedingungen Geflüchteter in Deutschland häufig unerträglich sind und sich stets verschlechtern (7). Genauso wird nicht erwähnt, dass es gerade älteren Jugendlichen in Marburg an Räumen und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung fehlt (8). Außerdem wird ausgelassen, dass es Menschen, die keine Kaufkraft mitbringen, schwer haben in der Stadt Treffpunkte zu finden und Zeit zu verbringen. Hierzu gehören schließlich oben genannte Gruppen, genauso wie Wohnungslose.

Als Bündnis wollen wir uns damit klar gegen diese Waffenverbotszonen aussprechen. „Wir fordern stattdessen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Ursachen für die Probleme. Es braucht inklusive, konsumfreie und schöne Orte in der Stadt. Ein soziales Sicherheitsverständnis das für alle Menschen in der Stadt gilt und nicht auf dem Auschluss von sowieso schon schlechter gestellten Personengruppen, sondern auf deren Einbeziehung basiert“, erklärt Lorenz Schoenike abschließend.

Marburg den 10.05.2024

Quellen:

(1) – https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/marburg/messer-gewalt-in-marburg-kriminologin-stuetzt-polizei-waffenverbotszone-VVAJIDRI4RBATJR6TYZZIVKMLE.html

(2) – https://www.researchgate.net/publication/379876950_Sicherheit_Sicherheitsgefuhl_in_Kassel_-_eine_randomisierte_Kontrollstudie

(3)  – https://www.hessenschau.de/gesellschaft/experiment-in-kassel-mehr-polizeipraesenz-fuehrt-nicht-zu-einem-hoeheren-sicherheitsgefuehl-v2,experiment-kassel-sicherheit-polizeipraesenz-100.html

(4) – 

https://heimatkunde.boell.de/de/2020/09/08/rassistische-polizeigewalt-deutschland

(5) –

https://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__42.html

(6) –

https://ksv-polizeipraxis.de/die-einrichtung-von-waffenverbotszonen-durch-polizei-oder-ordnung

(7) –

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/asylunterkunft-menschenrechte-100.html

(8) –

https://www.marburg.de/portal/seiten/marburger-jugendbericht-900002324-23001.html


Pressemitteilung des Bündnis „Marburg gegen Mietenwahnsinn“

Mietenstopp Aktionstag in Marburg
Marburg.
Das Bündnis „Marburg gegen Mietenwahnsinn beteiligte sich am Samstag mit einem Stadtteilstand im Marburger Stadtwald am bundesweiten Aktionstag für einen Mietenstopp. In über 80 Städten gab es Aktionen von Gewerkschaften, Mieterinitiativen und Sozialverbänden. „Unsere Mieten steigen schneller als die sommerlichen Temperaturen. Wir brauchen dringend einen bundesweiten Mietenstopp, um wieder Luft zu bekommen“, betonte Bündnissprecherin Bettina Böttcher-Dutton. In Gesprächen mit Mieter:innen stellte sich schnell heraus, dass auch der Stadtwald nicht vom Mietenwahnsinn verschont geblieben ist: Über 500€ für ein Studierendenzimmer und die Sorge vor Steigenden Mieten angesichts der Entwicklung des Baugebietes „Hasenkopf“ durch Privatinvestor:innen sind nur zwei Beispiele dafür.
„Was anderswo schon lange Konsens ist muss auch in Marburg endlich ankommen: die Profite der Privatinvestor:innen werden auf dem Rücken der Mieter:innen gemacht. Bezahlbares Wohnen ist nur ohne Privatinvestor:innen möglich. Die Sozialquote darf nicht zur Verhandlungsmasse verkommen. Im Gegengeil: Sie muss ausgebaut und umgesetzt werden“, forderte Sebastian Durben für das Marburger Bündnis.
Nach vielen Gesprächen in den verschiedensten Stadtteilen der Universitätsstadt sei deutlich geworden, dass die Sorgen der Mieter:innen meist die gleichen sind: hohe Mieten, Schimmel in vielen Wohnungen und keine Reaktionen der Vermietenden. Das Mietenwahnsinn-Bündnis hat eine Petition unter dem Titel „MARBURG FÜR BEZAHLBARES WOHNEN“ erstellt, um die Stadt endlich zum Handeln aufzufordern (https://www.openpetition.de/petition/online/marburg-fuer-bezahlbares-wohnen). 
Wir können nicht auf den Bund warten. Marburg braucht jetzt einen Mietendeckel für die GeWoBau mit deutlichen Absenkungen im Bestand und den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus. ‚Marburgs größte Vermieterin‘ hat damit auch Einfluss auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Darüber hinaus muss endlich der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 2011 zur Einführung von Mieterbeiräten bei der GeWoBau umgesetzt werden!“fasste Böttcher-Dutton die Forderungen der Bündnis-Petition auch mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zusammen.

Leser*innenbrief zum Artikel vom 12.04.2021

Artikel vom 12.04: https://www.op-marburg.de/Marburg/Wohnung-finden-in-Marburg-so-leicht-wie-lange-nicht

Von wegen Entspannung auf den Marburger Wohnungsmarkt: Unsere Mitstreiterinnen Ranya Allouch und Lena Frewer haben sich mit falschen Fehlschlüssen in der Oberhessische Presse auseinangesetzt. Danke dafür!

Als Bündnis Marburg gegen Mietenwahnsinn sagen wir:
Privatinvestor:innen sind das Problem – nicht die Lösung :

Wir brauchen den Privatisierungsstopp!
Die Mieten sind zu hoch. Wir brauchen einen Mietendeckel!

Du willst bei uns mitmachen? Kein Problem: Schreib jetzt eine Nachricht an uns!

Hier der Artikel der Oberhessischen Presse über unseren Aufruf zur Demo am 27.03.2021

https://www.op-marburg.de/Marburg/Fahrrad-Demo-und-Demo-gegen-Mieten-in-Marburg